Schlagwort: Lesetipp

geophon Buchtipp: "Fred Kemper und die Magie des Jazz" von Stefan Sprang

Stefan Sprang Autor von Fred Kemper

„Der Wind konnte das: Er änderte seine Richtung an einem der letzten Spätsommernachmittage einfach so, spielend leicht und unbeugsam. Denn er konnte tun, was er wollte, seit er eines Tages aufgetaucht war über dem Land.“
Es ist das Jahr 1967. Gerade ist der legendäre Jazz-Saxophonist John Coltrane gestorben. Es ist seine Ballade „You don’t know what love is“, die der Vierzehnjährige Fred Kemper aus einem Fenster in der heimischen Zechensiedlung zufällig hört. Die Musik und vor allem der Klang des Saxophons faszinieren ihn: „Durch alle Nerven lief ein wohliger Schauer von seinem Kopf bis in die Zehen hinab. Die winzigen Muskeln auf seiner Haut zogen sich zusammen. Er bekam eine Gänsehaut, so wie manchmal, wenn er erhitzt vom Fußballspiel plötzlich in den Schatten der Bäume lief. Aber was hatte jetzt dieses Erzittern ausgelöst und jenen Kitzel? Fred wollte das Gefühl noch einmal erleben, doch das Spiel wurde wieder nervöser. Und dann begriff er, was da geschah.“
Buchcover Fred Kemper ud die Magie des JazzSo beginnt ein Roman, in dem immer wieder die Magie des Jazz auf grandiose Weise beschrieben wird. Man fühlt jeden Ton mit, jede Pause, jeden Lauf, jede Explosion, der besondere Sound findet sich wieder in einer ebenso rhythmischen wie ausdrucksstarken Sprache. Man muss die Jazz-Standards nicht kennen, um sie zu genießen: Im Kopf lässt der Autor Bildwelten und Assoziationen entstehen, die beweisen: „Jazz ist Zärtlichkeit und große Gewalt“.
Und dieses Lebensgefühl, diese Seelenstimmung packt auch Fred an jenem Spätsommernachmittag im Ruhrgebiet. Er beginnt mit aller Macht, seinen Traum zu träumen: auch er will Saxophonist werden. Viele Jahre übt er besessen, bis er seinen ersten Auftritt bei einer Jazzsession wagt. Das Publikum feiert ihn als herausragendes Talent. Zusammen mit den Session-Musikern gründet er das „Fred Kemper Quartett“, das in der Szene zu einem Geheimtipp wird. Konzerttouren bringen sie auch hinter den Eisernen Vorhang, wo sie Jazzfans in Budapest oder Bratislava begeistern. In seinen Solo-Improvisationen und auf der ständigen Suche nach dem „alternate take“ erfährt der Held die Freiheit des Augenblicks. Aber es bleibt schwer, von der Musik zu leben. Also schließt Fred nebenbei ein Lehrerstudium ab, das er seinen Eltern zuliebe begonnen hat. Als ein Schicksalsschlag das eingeschworene Quartett trifft und seine Freundin Zwillinge erwartet, muss Fred eine Entscheidung treffen – die er viele Jahre später bereut, denn er wird immer mehr zu einem Fremden in seinem eigenen Leben.
Figuren im Vigelandpark in OsloRathaus in Oslo
Kurz vor der Jahrtausendwende reist er nach Oslo, um seine große Liebe Lilli wiederzusehen und einen Neuanfang zu versuchen – zerrissen wie er ist: Zwischen der Sehnsucht nach Geborgenheit und der Erinnerung an das behütete Leben seiner Kindheit, aber eben auch dem Verlangen nach einer bedingungslosen Künstlerexistenz. So stehen sich in den spannungsvoll verschränkten Erzählsträngen und in atmosphärisch dichten Szenen auch die besondere herb-heimelige Romantik des Ruhrgebiets und die herausfordernde Aura der skandinavischen Küste gegenüber – bis zu jenem für Fred Kemper dramatischen Moment in der Silvesternacht 1999.
Stefan Sprang: „Fred Kemper und die Magie des Jazz“. Erschienen im Verlag Henselowsky Boschmann, 14,90€
Von Stefan Sprang ist bei geophon das Hörspiel „Helden:tot“ erschienen.

Cover des Hörspiels Helden: tot mit einem Diktiergerät.

Cover geophon Helden: tot

 

Lesetipp: Gereon Rath ermittelt

Haus Vaterland geophon

Spannende Krimis aus dem Berlin der 20er und 30er Jahre

Der Autor Volker Kutscher lässt seinen Kriminalbeamten Gereon Rath durch die Unterwelt Berlins streifen, durch die verruchten Clubs in der Motzstraße, die Welt der Stummfilmstars im feinen Westen und die Kneipen und Wohnungen der Kleinkriminellen in Friedrichshain. Der Kommissar ist ein Neuling in Berlin und mit seinem fremden Blick auf die Stadt wird auch der Leser in die so genannten goldenen 20er Jahre der Metropole gezogen. Aber so richtig golden sind diese Jahre nicht: Streitbare Banden teilen die Reviere der Stadt untereinander auf und versuchen die korrupte Politik für ihre Zwecke zu nutzen. Kommunisten und Nazis stehen sich in Straßenschlachten gegenüber und die kleinen Leute amüsieren sich im Haus Vaterland und in den anderen Vergnügungspalästen am Potsdamer Platz.

Cover des Titels Moabit von Volker Kutscher

Atmosphärisch und gut recherchiert

Es sind die Atmosphäre und Stimmung aus der Stadt und die authentisch wirkenden Figuren, die die Krimis von Volker Kutscher so anziehend machen. Die geschichtlichen Hintergründe sind genau recherchiert, die Details ausgefeilt erzählt und auf historischen Stadtplänen von Berlin kann man die Wege und Orte der Geschichten wunderbar nachvollziehen.
Und die Fälle sind ungewöhnlich und spannend. Die bisher erschienenen Bände sollte man am besten in der richtigen Reihenfolge lesen. Inzwischen sind sechs Fälle veröffentlicht: Der erste Band war „Der nasse Fisch“, dann kamen „Der stumme Tod“ und „Goldstein“, dann „Haus Vaterland“ und „Märzgefallene“. Zuletzt erschien „Lunapark“. Die sehr schöne Ausgabe von „Moabit“ ergänzt die anderen Geschichten.

Historische Aufnahme vom Potsdamer Platz in Berlin

Ein Kommissar mit zweifelhaften Kontakten

Die Hauptfigur Kommissar Gereon Rath ist ein durchaus sperriger Charakter, der nicht immer den korrekten Dienstweg eingeht und durchaus eigenwillig ermittelt. Mein absolutes Lieblingsbuch ist dabei der zweite Fall, in dem Rath sich in die Welt der Kinos und der Stummfilmproduktionen begibt und eine Reihe von mysteriösen Mordfällen aufklären muss.

Eine Krimireihe, die süchtig macht.

Die Krimireihe ist inzwischen auch verfilmt worden. Unter dem Titel „Berlin Babylon“ (Regie u.a. Tom Tykwer) kann die Welt von Gereon Rath kennenlernen und Ende Oktober 2018 erscheint bei Piper der 7. Fall: Marlow. Laut Ankündigungstext geht es „um Hermann Göring, der erpresst werden soll, um geheime Akten, Morphium und schmutzige Politik. Und um Charlys Lebenstrauma, den Tod ihres Vaters. Und um den Mann, mit dem Rath nie wieder etwas zu tun haben wollte: den Unterweltkönig Johann Marlow.“ Wir bleiben gespannt, wie es weitergeht.

Viele Infos gibt es unter gereonrath.de

Alle Titel sind bisher bei Kiepenheur & Witsch erschienen, auch als E-Book und als Hörbuch bei Argon erschienen.

Reihenfolge:

Der nasse Fisch, 543 Seiten. Hier gibt es eine Leseprobe
Der stumme Tod, 542 Seiten, Leseprobe.
Goldstein, 574 Seiten, Leseprobe.
Die Akte Vaterland, 576 Seiten, Leseprobe.

Märzgefallene, 608 Seiten, Leseprobe.

Lunapark, 557 Seiten, Leseprobe.

Moabit, 88 Seiten, Leseprobe.